AfD müsste eigentlich ein Tempolimit wollen
Svenja W. starb am 11.Oktober in der Nähe von Bad Hersfeld auf der Autobahn A4. Sie war mir einem Nissan Micra unterwegs und war gerade mit dem Spurwechsel beschäftigt, als ihr eine Mercedes C Klasse seitlich in die Fahrertür fuhr. Der Mercedes überholte zuvor noch einen Fahrer, der ohnehin schon 210 Stundenkilometer fuhr, mit einer weitaus höheren Geschwindigkeit.
Der Unfall wurde, für beide Seiten, als „unvermeidbar“ eingestuft. Der Mercedesfahrer kam schuldfrei davon. Seine Anwälte schoben alle Schuld auf Svenja W. Svenja W. wurde eine sekündliche Unaufmerksamkeit unterstellt. Der Mercedesfahrer fuhr hingegen über eine Stunde mit Höchstgeschwindigkeit. Dennoch entschied der Richter, dass keiner den Unfall hätte vermeiden können.
Ein Frauentyp wie von einem AfD Plakat
Svenja W. war eine Zeit lang rothaarig. Das war etwa zwei Jahre vor dem tödlichen Unfall. Danach entschied sie sich wieder für ihre natürliche Haarfarbe „Blond“. Sie war 22 als sie starb. Zuvor liebte sie Freibad-Besuche. Legte sehr viel Wert darauf, dass sie im Freibad nicht belästigt oder angefasst wurde. Hegte dahingehend nahen Kontakt zu Bademeistern.
Für Selfies hatte sie ein Händchen. Jedes war irgendwie anders. Wirkten sogar, in einer gewissen Hinsicht, wie von einem professionellen Model. Gleich mehrere Selfies postete sie im Bikini. Sie machte sogar Fotos von der griechischen Vulkan-Insel Santorini.
Politisch war Svenja W. nicht. Ihre Facebook Links bestanden aus lustigen Youtube Videos oder Mode oder Kosmetik Tutorials. Sie abonnierte dahingehend eine Vlogs auf Youtube. Was sie wählte oder ob sie wählte, wenn mal wieder Wahlen in Deutschland anstanden, verriet sie niemanden. Sie wollte es im Gegenzug auch nicht von anderen wissen.
Ihr Fernsehprogramm bestand aus Lifestyle oder abendliche Skripted Real Projekte. Tagsüber arbeitete sie in einer Gemischtwaren-Kette als Verkäuferin. Abhängig vom Wetter verbrachte sie ihre freie Zeit entweder mit Sport oder Videospielen.
Der Zwiespalt der AfD
Die AfD machte im Berliner Wahlkampf mit einer blonden Frau Wahlwerbung, der folgendes Zitat auf dem Wahlplakat zugesprochen wurde: „Damit es auf dem nächsten Karneval der Kulturen nicht wieder zu Übergriffen auf Frauen kommt, wähle ich diesmal die AfD. Das mit der Armlänge Abstand haut einfach nicht hin!“
Als der Mercedes Fahrer über eine Stunde und länger mit Höchstgeschwindigkeit fuhr, ohne sich über die Konsequenzen eines Unfalls im Klaren zu sein, und letztendlich in den Nissan Micra von Svenja W. hineinrauschte, sollte wohl ein „Übergriff“ auf sie erfüllt sein.
Auch hat Svenja W. nie eine Burka getragen, aber gerne Bikinis (Wir wollen ihr hier keine politische Position unterstellen). Die AfD hat sich im Bundestagswahlkampf jedoch genau mit diesem Merkmal als „pro Bikinis“ positioniert. „Unser Land, unsere Regeln! Burkas? Wir stehen auf Bikinis.“
Auch „Polizei stärken! Bürger schützen!“ interessiert der AfD nicht sonderlich, wenn das Töten eines Menschen auf der Autobahn gar nicht strafbar ist (und nach der AfD auch nicht strafbar werden soll).
Und „Trau dich, Sachsen! Für meine Rechte, natürlich!“ sollte auch bedeuten, dass es auf der Autobahn zumindest ein festes, ultimatives Recht auf „Leben“ geben muss. Pustekuchen! Der Mercedes-Fahrer hat sich mit seiner einstündigen Fahrt mit etwa Tempo 250 bis 280 auf der Autobahn nicht strafbar gemacht. Er fuhr an diversen Fahrzeugen vorbei, bei denen schon die ruckeligste Bewegung, eine Bremsung unmöglich macht. Die Autobahn, der rechtsfreie Raum!
Der AfD interessiert das eigentlich gar nicht
Der Mercedes Fahrer kam aus Bayern und war gerade auf seiner Rückreise. Die natürlich so schnell stattfinden sollte, wie nur möglich. Es gab, was er selbst eingestehen musste, keinen wirklichen Grund für das hohe Tempo. Er war Eigentümer eines großen Versicherungsbüros in Ingolstadt und wollte den Dienstwagen seines eigenen Unternehmens „nur mal richtig ausfahren“.
Da die AfD sich nicht wirklich für irgendjemanden einsetzt, wie sie es selbst vorgibt, sondern lediglich ein festes Feindbild hat, ist ihr Svenja W. egal. Und der Mercedesfahrer ist weniger ein Feindbild als mehr deren „Pro“ Bild eines Menschen. Dynamisch, Erfolgreich, Deutsch. Und er liebt es, andere Menschen lebensgefährlich einzuschüchtern, in dem er seinen Wagen auf Vollgas ausfährt. Auch das er vor Gericht noch mal umschrieb, dass „Schleicher“ (dieses Wort benutzte er selbst, vor Gericht, in seiner Aussage, für langsam fahrende Fahrzeuge) auf der linken Autobahn-Fahrbahn gar nichts zu suchen hätten, gibt der AfD schon fast einen „Fistbum“.
„Raser“ sind nicht das Feindbild
„Raser“ sind nicht das Feindbild der AfD und um eben diese deutsche, blonde Frau passt wohl nur in das Opfer-Schema der AfD, wenn sie irgendein Problem mit einem Flüchtling oder einem Nordafrikaner oder einfach mit einem dunkelhäutigen Mann hat.
Doch wenn der Frau ein Mercedesfahrer in die Autotür fährt, und die eigene Tür des Nissan Micra, angeschoben von der rechten Front des Mercedes-C, einen sofortigen Genickbruch bei ihr verursacht, fordert die AfD absolut gar nichts dagegen, damit so etwas nicht wieder geschieht.