Straftaten beklatschen: Der neue geile Scheiß im Internet

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Straftaten beklatschen: Der neue geile Scheiß im Internet

31. Mai 2022 Allgemein 0

Ein Passant erfüllt auf offener Straße gleich drei Straftatbestände. Sachbeschädigung, Bedrohung und Körperverletzung. Der Applaus im Internet ist ihm sicher. Denn der Mann ist Autofahrer und der Geschädigte ein Klimaschützer. In Deutschland gibt es 1449 mal so viele Autofahrer wie aktive Klimaschützer. Und der Mann mit der Glatze nicht der einzige, der Applaus bekommt, von Nutzern die selbst damit bewusst eine Straftat begehen.

Paragraph 140 StGB Belohnung und Billigung von Straftaten

Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d

  1. belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder
  2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Was vielen egal ist, denn klatschen bei Straftaten ist für viele der neue geile Scheiß im Internet.

“Dieses Verhalten ist falsch. Aber das Verhalten der Aktivisten ist auch falsch. Mit Gewalt provoziert man Gewalt. Diese (hoffentlich) letzte Generation von Straftätern tut sich keinen Gefallen damit, dass sie ständig Gewalt ausüben. Vor allem ist es gefährlich.”

Nein, der Mann mit der Glatze geht auf die Habseligkeiten des Protestlers zu, wirft sie um sich und drückt den älteren Mann, mit Gewaltanwendung, in die Botanik. Er ist der einzige, der dort gerade Straftaten begeht, mit Ausnahme von dir, lieber Twitter Nutzer, wie du sein Verhalten gerade belohnst und billigst.

Die unangemessenen Aktion gehen ja wohl eindeutig von euch aus und nicht von den betroffenen. Das sind gefährlich Eingriffe in die öffentlich Ordnung.

Erstens hebt eine Ordnungswidrigkeit seine Gewalt-Straftat auf und zweitens ist dein Verhalten, lieber Twitter Nutzer, eine Täter-Opfer Umkehr, die eine Gewalttat billigt.

NÖ.. das sind genau die RICHTIGEN Aktionen! Eine andere Sprache verstehen die verzogenen und verwöhnten Gören nicht! Und die älteren, die dabei sind, diese Althippies, brauch man sich nur angucken! Na.. da erübrigt sich jeder weitere Kommentar!

Und hier hat sich einfach mal einer gesagt. Ich brauche unbedingt ein Ermittlungsverfahren gemäß §140 StGB gegen mich. Ich habe ja sonst nichts zu tun.

Ich stell mein Auto ganz nah und auf Kopfhöhe vor den Spinnern. Dann frag ich freundlich, was sie wohl denken, was da vorne an Technik verbaut ist. Die leeren verständnislos Augen sind unbezahlbar, es fehlen die Freitage. Spätestens nach der Frage zur Familienplanung sind sie weg

Ah, Ratschläge, wie man Körperverletzung an Klimaschützern begeht. Pfeif auf §140 StGB. Du, lieber Twitter Nutzer, erfüllst §111 StGB Öffentlicher Aufruf zu Straftaten. (Mit seinem Motor meint er augenscheinlich einen Diesel Motor. Er will dem Klimaschützer suggerieren, dass er ihm so gesundheitlich schaden würde).

Was ist daran unangemessen? Ihr nötigt diese Leute also haben sie auch das Recht sich zu wehren! Bestimmt ihr was in Ordnung ist? Seit froh dass ihr mich noch nicht erlebt habt ich würde anders reagieren und dann wäre mir auch die Strafe scheißegal!

Das StGB bestimmt in Deutschland, was “in Ordnung” ist. Und man wehrt sich nicht, wenn man sitzende Protestler gewaltsam angreift, sondern man ist der Angreifende. Die Strafe ist eine Freiheitsstrafe zwischen 1 und 3 Jahren. Also für deine begangene Tat nach §140 StGB. Die du auch antreten musst, wenn sie dir “scheißegal” ist.

Es wird sich wohl kaum vermeiden lassen, dass über kurz oder lang mal einer ernsthaft ausrastet. Ob das dann als angemessen gelten kann, etwa weil es natürliche und nachvollziehbar verständliche Reaktion ist, mag dahingestellt bleiben.

Jetzt eine kurze Pause. Weil… wir müssen hier mal kurz anmerken, dass das Landgericht Osnabrück 2019 klarstellte, dass es auch öffentliche Äußerungen für urteilsfähig hält, die eine artikulierende Hintertür eingebaut haben. Zum Beispiel, eine Aufforderung zur Gewalt, in der “einer” zur Gewalt aufruft oder “einer” Gewalt anwendet. Oder eine Billigung, zu einer echten Tat, hypothetisch ausgedrückt wird oder auch in Frageform.

Glückwunsch Twitter Nutzer, du bist, trotz einer kryptischen Aussage, in der du bloß die “Ich” Form zu deinem Gewalt Applaus vermeidest, trotzdem im Paragraph 140 StGB Club.

Die Liste mit den Ausgangspunkten ist lang

Dieser Fall ist noch gar nichts gegen Kommentare, beispielsweise in Bezug auf Butscha, in dessen Bezug Kriegsverbrechen verharmlost, relativiert (Täter-Opfer Umkehr) oder auch schlicht gefeiert wurden (Ja, Internetnutzer, besonders auf Twitter, haben den russischen Massenmord von Butscha applaudiert.)

Dann gibt es sogar die Menschen, die “alternative Nachrichten” schreiben und die Kriegsverbrechen faktisch “normalisieren”.

Lieber Autor (“Bilder von Toten sind allein noch kein Beweis”), es gab in Butscha schon mal gar nicht “beide Seiten”, sowas nennt man auch Kriegsverbrechen billigen (“Auch Soldaten”…”begehen Fehler”), strafbar nach §140 StGB.

Ein paar Worte zu Butscha – Nachgedacht und nachgefragt (wordpress.com)

Wenn du da wirklich vorher nachgedacht hast, hast du dich sogar bewusst entschieden, §140 StGB zu erfüllen.

Tatuetata.fail

Wir schließen damit diesen Artikel mal ab und hängen noch mal an, dass das ZDF Magazin Royale am Freitag Abend hohe Wellen in deutschen Polizeirevieren schlug.

Am Samstag Abend haute sich ein Twitch Streamer auf seinen Computerstuhl, um der Welt mitzuteilen, dass die ganze Sache mit den Hassnachrichten doch nur aufgebauscht sei. Es solle nur “mediales Interesse” erzeugt werden. Seine Frage war, wer denn ernsthaft mit einer Hassnachricht im Internet zur Polizei ginge. Dessen Freizeit würde der Twitch Streamer gerne haben. Man könne die Twitter Nutzer ja auch blocken. Er hätte die Leute, die Anzeige wegen den Hassmeldungen erstellen wollten wieder weggeschickt (“Ick hätt die ooch wieder weggeschickt”), wenn er selbst Polizeibeamter wäre.

Einige Beamte im Strafvollzug müssen sich nun einer Klage wegen §258a Strafvereitelung im Amt stellen.

Der Twitch Streamer hat den §140, in seinem eigenen Twitch Stream erfüllt. So wirklich mit seiner Nase in seine Kamera gerichtet.

Auf dieser Seite könnt ihr das Tatütata.fail Projekt noch mal genau einsehen.

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